西方要想擺脫對中國依賴絕非易事
瑞士《新蘇黎世報》以"自由民主國家的中國難題:當我們眼睜睜地陷入依賴體制競爭對手時,我們應該如何與其打交道?"為題,刊發由巴塞爾大學政治學者Ralph Weber撰寫的客席評論。文章指出,西方要想擺脫對中國依賴絕非易事。
"難題在於:西方國家的政府不願意在一開始就強迫自己的經濟界在做中國生意時也為自由民主做出政治努力。然而,中國的黨政當局卻會這麼做,這就造成了不平等局面。經濟界享有充分自由的自由民主整體就會面臨被顛覆的危險:如果政府強迫經濟界,就會危及民主政體的自由根基。又比如:政治決策不是出自於法律基礎,而是出自於往往過於誇張的安全憂慮,這意味著(自由民主)政府自己也採用專制手段。"
"政界當然也可以修改法律框架,運用民主程序來增加經濟界為自由民主體制承擔的責任。但是這種做法猶如刀尖上的舞蹈,實施起來必須小心謹慎。"
瑞士《新蘇黎世報》以"自由民主國家的中國難題:當我們眼睜睜地陷入依賴體制競爭對手時,我們應該如何與其打交道?"為題,刊發由巴塞爾大學政治學者Ralph Weber撰寫的客席評論。文章指出,西方要想擺脫對中國依賴絕非易事。
"難題在於:西方國家的政府不願意在一開始就強迫自己的經濟界在做中國生意時也為自由民主做出政治努力。然而,中國的黨政當局卻會這麼做,這就造成了不平等局面。經濟界享有充分自由的自由民主整體就會面臨被顛覆的危險:如果政府強迫經濟界,就會危及民主政體的自由根基。又比如:政治決策不是出自於法律基礎,而是出自於往往過於誇張的安全憂慮,這意味著(自由民主)政府自己也採用專制手段。"
"政界當然也可以修改法律框架,運用民主程序來增加經濟界為自由民主體制承擔的責任。但是這種做法猶如刀尖上的舞蹈,實施起來必須小心謹慎。"
"既然大家都主要關注中國、關注這個貿易沒能促成轉變的國家,那麼我們不妨借分析'貿易促轉變'戰略之機來照照鏡子。這裡我們必須有所作為,也有能力有所作為。我們並非要為貪婪企業家的道德缺失塗脂抹粉。真正的問題要深刻得多。有些人憤世嫉俗地以為,'以貿易促轉變'很好地發揮了作用,只不過被轉變的並非中國,而是自由民主國家。這種認知並不正確。'以貿易促轉變在自由民主國家激發了一股動能,而政界最終卻很難掌控這股動能。'"
"如果自由民主國家想要儘力解決這一難題,就必須發揮自由民主體制自身的內在優勢。企業家必須更多地考慮政治風險。經濟在自由民主政體中具有重要價值,這是顯而易見的。但是,反過來也同樣如此。私有財產在專制政體中並沒有那麼高的地位。"
"誰要是以為,為了經濟優勢就可以削弱自由民主,誰就是在社會整體層面上混淆了手段與目的。這樣的人其實是在不知不覺地自掘墳墓。他當然可以這麼做,但是卻並沒必要這樣做。"
Wie umgehen mit einem Systemrivalen, von dem man sich sehenden Auges
abhängig gemacht hat? – Das China-Dilemma liberaler Demokratien
Die Zeichen zwischen Chinas Parteidiktatur und dem freiheitlichen
Westen stehen politisch auf Sturm. Angesichts der traumatischen
Erfahrungen, die man mit Russland gemacht hat, will man sich aus einer
symbiotischen Abhängigkeit befreien. Leicht wird das nicht.
Es ist noch nicht lange her, da war die chinesische
Belt-and-Road-Initiative, sprich die neue Seidenstrasse, in aller Munde.
In Europa sahen Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten und
zusätzlichen Handel. Regierungen unterstützten die Unternehmen dabei,
sich an der Initiative zu beteiligen, oder sie beteiligten sich gleich
selbst. Der chinesische Parteistaat schien einen Weg gefunden zu haben,
gemeinsame Kooperation und Handel ins Zentrum zu stellen und die
politische Differenz herunterzuspielen. Kritik gab es zwar hier und
dort, aber für viele wies China schlicht den Weg in die globale Zukunft.
Heute hat sich das Bild geändert. Die EU hat sich für China auf die
Formel «Partner, Wettbewerber, Rivale» festgelegt. Die USA und
Grossbritannien betonen die Systemrivalität weit stärker. Die
Belt-and-Road-Initiative stockt, der Umgang mit der Volksrepublik China
ist in liberalen Demokratien schwieriger geworden. In der Diskussion
findet sich die politische Differenz mittlerweile akzentuiert: Ist das
Regime in China noch autoritär oder eher totalitär? Kann man sich mit
einem solchen Regime überhaupt in ein angemessenes Verhältnis setzen?
Politische Differenz und Verschränkung
Die Betonung der Systemrivalität hat allerdings ihre Tücken. Eine
einseitige Hervorhebung der faktischen politischen Differenz führt
leicht zur selbstgefälligen Romantisierung liberaler Demokratien. Sie
drängt sicherheits- und geopolitische Deutungsangebote der Weltpolitik
stark in den Vordergrund. Der Fokus auf die USA und auf China als
Speerspitzen der jeweiligen Systeme lässt Akteure wie Indien, die sich
nicht so recht entscheiden mögen, aus dem Blick geraten. Letztlich ist
die Sichtweise reduktionistisch, weil sie die tatsächliche und
erhebliche globale Verschränkung über die Systemrivalen hinweg
ausblendet.
«Wandel durch Handel» löst in liberalen Demokratien Dynamiken aus, welche die Politik letztlich nur schwer kontrollieren kann.
Verschränkung verkompliziert die Angelegenheit. Sie kann als Problem
liberaler Demokratien verstanden werden, etwa hinsichtlich
wirtschaftlicher Abhängigkeiten, fehlender Reziprozität im Marktzutritt
und Lieferkettenproblematiken, oder als Zugangstor für Einflussversuche
der Kommunistischen Partei. Sie birgt indes auch für autoritäre Regime
Risiken. Denn Europa ist weiterhin ein bedeutender Handelspartner für
China. Daher sucht auch die chinesische Seite eine teilweise
Entkoppelung. Auch dort möchte man Abhängigkeiten reduzieren und
entflechten.
Verschränkung ist so für beide Seiten ein Problem, eröffnet aber
zugleich wichtige Handlungspotenziale. Liberale Demokratien müssen diese
möglichst genau verstehen und dabei politische Differenz und
Verschränkung gleichzeitig berücksichtigen.
Wandel durch Handel – ein Denkfehler
In der Vergangenheit stand die Devise «Wandel durch Handel»
leitgebend für diese Verschränkung: Liberale Demokratien würden durch
wirtschaftlichen Handel mit autoritären Regimen in diesen letztlich
einen politischen Wandel hin zu einer Demokratie bewirken. Die
Zielbestimmung dieser Devise ist klar politisch. Sie baut aber auf einer
sequenziellen Logik auf: zuerst Handel, dann Wandel. Die Rolle
politischer Instrumente beim Weg hin zum Ziel bleibt unklar. Die
deutsche Politikwissenschafterin Gerlinde Groitl hat an dieser Stelle
bereits ein Fazit gezogen und auf «das Fehlen von Zielmarken und
Verbindlichkeit» als ein «Kernproblem der Engagement-Politik»
hingewiesen.
Der Devise liegt jedoch auch ein grundlegender Denkfehler zugrunde.
Dieser hat weniger mit China als mit der Dynamik liberaldemokratischer
Gesellschaften zu tun. Mit Handel werden Interessen geschaffen, die mit
zunehmender Verfestigung der Beziehungen oder auch nur mit dem
Versprechen von zukünftigen Beziehungen immer stärker werden. Damit
steigen jedoch die Kosten jedweder Einschränkung der Handelsbeziehungen,
wenn es etwa gälte, eine Zielmarke des politischen Wandels
durchzusetzen. Organisierte Interessen wissen sich zu wehren und haben
angesichts der Bedeutung, die Wirtschaft in liberalen Demokratien
geniesst, oft Erfolg.
Die politischen Ziele der Devise hingegen bleiben auf der Strecke. Es
heisst dann etwa, dass der Zeitpunkt für den Wandel noch nicht reif
sei, zunächst müsse noch länger und mehr gehandelt werden. Wenn wir
heute das Prinzip «Wandel durch Handel» infrage stellen, aber
grossenteils unverändert danach agieren, dann zeigt das eben auch, wie
stark die erwähnten Interessen sind.
Gefangen im Zeitgeist
«Wandel durch Handel» entsprang einem gesellschaftlich breit
geteilten Zeitgeist, der eng mit dem Ende des Kalten Kriegs und dem
«Sieg der Demokratie» verbunden war. Auch wenn diese Idee vom Ende der
Geschichte von Anfang an kritisiert worden ist, so erkennen wir
vielleicht erst heute, wie stark der damalige Zeitgeist von einer
solchen Erwartungshaltung geprägt war – selbst auf Kritikerseite – und
weiterhin dem Gegenwartsdenken unterlegt ist.
Noch heute propagieren einzelne Wirtschaftsvertreter die Devise für
den Umgang mit China. Economiesuisse hat im Mai 2021 festgehalten, dass
die Devise sich nicht nur «in der Vergangenheit bewährt» habe, sondern
sich auch «jetzt wieder bewähren» könne. Auch in der NZZ
wurde kürzlich behauptet, dass «Wandel durch Handel» doch funktioniert
habe. Wirtschaftliche Öffnung und Integration hätten in China eine
lautstarke Mittelschicht geschaffen, die das Regime zu Revanchismus und
Repression gezwungen habe.
Eine abenteuerliche Argumentation, welche nicht nur eine ökonomisch
ermittelte Mittelschicht mit einer (tatsächlich nichtexistenten)
Zivilgesellschaft verwechselt, sondern zudem die zunehmende Schliessung
der Volksrepublik so zu drehen vermag, dass die Devise auch im Scheitern
noch reüssiert.
Bei «Wandel durch Handel» verbindet sich Zeitgeist äusserst bequem
mit wirtschaftlichen Interessen. Die Devise ermöglicht es sogar, zu
argumentieren, dass nur der exklusive Fokus auf deren wirtschaftliche
(und keinesfalls auf deren politische) Aspekte ihrem hehren Ziel des
politischen Wandels gerecht werde.
Segmentierungslogik
Die Devise impliziert eine strikte Trennung von Wirtschaft und
Politik. Den Unternehmen geht es letztlich um ökonomischen Erfolg. Das
ist in liberalen Demokratien durchaus so gewollt. Es sollen möglichst
keine politischen Bekenntnisse eingefordert werden, und der Staat soll
sich möglichst aus unternehmerischen Entscheidungen heraushalten.
Möglichst – weil das nicht immer so durchzuhalten ist, auch nicht für
liberale Demokratien.
Anders sieht das in China aus. Dort soll die Politik die Wirtschaft
durchdringen. Politische Bekenntnisse sind unumgänglich, auch für
ausländische Akteure. Unternehmen sind diesem Umstand bisher höchst
erfindungsreich begegnet. Marktzutritt ist letztlich ohne die Gunst der
Kommunistischen Partei kaum zu haben.
Das mag ein Beispiel für die Anpassungsfähigkeit sich im harten
globalen Markt behauptender Wirtschaftsakteure sein. Das Problem liegt
aber woanders. Die Segmentierungslogik scheint nämlich nur aufseiten der
liberalen Demokratie zu spielen. In der Volksrepublik China hingegen
muss man politisch Fahne zeigen, um Erfolg zu haben. Das wird
eingefordert, und es wird abgestraft, wer ausschert.
Das Dilemma besteht nun darin: Regierungen wollen Wirtschaftsakteure
in ihrem China-Geschäft aus vorab guten Gründen nicht zwingen, für die
liberale Demokratie Politik zu betreiben. Da der chinesische Parteistaat
aber genau das tut, entsteht eine politische Schräglage. Diese droht
die liberale Demokratie, die ja die Wirtschaft mit ihren Freiheiten
ausstattet, zu unterminieren. Legte man der Wirtschaft Zwang auf, liefe
man zudem Gefahr, die liberalen Grundlagen der Demokratie zu
unterminieren oder gleich selbst autoritär zu handeln, wenn etwa
allfällig überzogene Sicherheitsbedenken anstelle einer gesetzlichen
Grundlage eine politische Entscheidung motivierten.
Blick in den Spiegel
Natürlich kann die Politik, wie sie das oft tut, den gesetzlichen
Rahmen verändern und auf demokratischem Weg Wirtschaftsakteure stärker
auf die liberale Demokratie verpflichten. Das ist aber eine
Gratwanderung und eine Ratio, die behutsam eingesetzt werden soll.
Vielleicht erfordert die Situation auch einfach kreatives Denken, gar
institutionelle Neuerungen – sicherlich den Ausbruch aus dem Gefängnis
des Zeitgeists, den «Wandel durch Handel» in unsere Köpfe gesetzt hat.
Wenn die Aufmerksamkeit zumeist auf China fällt, welches sich trotz
Handel nicht geändert habe, dann gebietet die Analyse von «Wandel durch
Handel» den Blick in den Spiegel. Hier muss man, hier kann man ansetzen.
Dabei geht es weniger um das Herausstreichen moralischer Defizite
geldgieriger Unternehmer. Das Problem greift tiefer. Das zynische
Diktum, dass «Wandel durch Handel» sehr wohl gewirkt habe, nur hätten
sich die liberalen Demokratien und nicht China gewandelt, stimmt so eben
nicht. «Wandel durch Handel» löst in liberalen Demokratien Dynamiken
aus, welche die Politik letztlich nur schwer kontrollieren kann.
Möchten liberale Demokratien das Dilemma, das aufzulösen ihnen nicht
gelingen kann, so weit wie möglich in den Griff bekommen, dann muss das
über systeminhärente, sprich liberaldemokratische Stärken geschehen.
Unternehmer werden politische Risiken vermehrt in ihre Kalkulationen
einbeziehen müssen. Dabei ist es sonnenklar, dass die Wirtschaft für die
liberale Demokratie von grosser Bedeutung ist. Umgekehrt ist es jedoch
genauso. Privateigentum gilt in autoritären Regimen wenig.
Wer für wirtschaftliche Stärke gewillt ist, die liberale Demokratie
zu schwächen, der verwechselt auf gesamtgesellschaftlicher Ebene das
Mittel mit dem Ziel – und sägt für sich selbst genommen nolens volens an
dem Ast, auf dem er sitzt. Kann man, muss man aber nicht.
Ralph Weber ist
Professor für European Global Studies an der Universität Basel. Er
forscht unter anderem zur globalen Einflussnahme und Machtpolitik des
chinesischen Parteistaats.